Wann benutzt man sic

Das Für und Wider von sic – was tun bei Fehlern in Zitaten?

Im Rahmen des Korrekturlesens mache ich aus dem Bestanteil einen Bestandteil und aus dem Standart den Standard. Was aber, wenn ein solcher Fehler in einer Textstelle steht, die Sie wörtlich zitieren möchten? Laut gängigen Ratgebern haben Sie hier keine Wahl: Sie müssen diese Textstelle buchstabengetreu wiedergeben, also mit dem Fehler. Und damit niemand denkt, dass dieser Fehler von Ihnen stammen könnte, geben Sie dahinter „[sic]“ (lateinisch für: wirklich so) an.

Doch ist das wirklich immer die einzige bzw. die beste Lösung? Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Für und Wider von sic.

So manche Bachelor- oder Masterarbeit, die ich zum Korrekturlesen erhalte, enthält zahlreiche Flüchtigkeitsfehler. Kein Problem – diese zu korrigieren ist schließlich mein Job. Wenn jedoch jemand seinen eigenen Text nicht sehr sorgfältig ausgearbeitet hat, in wörtlichen Zitaten aber häufig „sic“ notiert hat, um auf einen Fehler oder auch nur auf einen ungewöhnlichen Begriff in einer zitierten Quelle hinzuweisen, kann das schnell besserwisserisch wirken.

Ich persönlich weise ungern auf Fehler anderer hin, auch wenn es beim Zitieren im Einzelfall gerechtfertigt oder erforderlich wäre. Denn vor Fehlern ist niemand gefeit. Für mich ist es auch eine Sache der Fairness dem Autor oder der Autorin gegenüber, möglichst keine Textstelle mit einem wirklich dummen Fehler wiederzugeben. Daher versuche ich das sic tendenziell zu vermeiden. Das ist zum Glück in einigen Fällen möglich:

(1) Nicht notwendig ist sic, wenn in einem Text aus den 1970er oder 80er Jahren die Schreibweise daß auftaucht. Bis 1996 galt die alte Rechtschreibung; die Schreibweise daß war damals korrekt. Eher wäre in einem jüngeren Text eine Schreibweise wie daß mit sic anzumerken. Das würde ich jedoch ebenfalls nicht tun, weil sich die neue Rechtschreibung nur langsam durchgesetzt hat. Ob sich jemand danach richtet, sollte dem oder der Einzelnen überlassen bleiben.

(2) Vermeiden können Sie sic auch, wenn Sie statt des wörtlichen Zitates an der Stelle ein sinngemäßes Zitat verwenden, den Sachverhalt also in eigenen Worten umschreiben. Wörtliche Zitate werden meiner Ansicht nach oft überschätzt (auf diesen Aspekt bin ich hier genauer eingegangen). Wenn der Wortlaut nicht besonders pointiert ist, ist es oft die bessere Lösung, die Textstelle in eigenen Worten wiederzugeben (und auf die Quelle mit „vgl. …“ zu verweisen). Oder Sie kürzen das Zitat, um so die Textstelle mit dem Fehler zu umschiffen.

(3) Gelegentlich können Sie einen Fehler auch stillschweigend korrigieren. Neulich fand ich in einem Kulturführer, in dem zahlreiche historische Quellen zitiert wurden, in einer Fußnote den cleveren Hinweis: „Schreibfehler in den Quellen wurden korrigiert.“ Das bezog sich auf offensichtliche Fehler wie zum Beispiel Buchstabendreher. Wenn der Text so bereinigt wird, ist er zugleich flüssiger zu lesen, was auch im Sinne des Lesers sein wird. Man darf davon ausgehen, dass die Leserin eines Kulturführers nicht wissen möchte, an welchen Stellen in einem Zitat vorher einmal ein Flüchtigkeitsfehler stand (zumal dies am Inhalt nichts ändert). Daher halte ich es in diesem Fall für eine gute Idee, solche Fehler stillschweigend zu korrigieren.

Aber: Hier handelt es sich um einen Kulturführer, für den nicht die strengen Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens gelten. Dieses Vorgehen ist daher für Ihre Bachelor- oder Masterarbeit nicht zu empfehlen.

Mit einer Ausnahme: So steht im Chicago Manual of Style, einer Anleitung für das akademische Schreiben und Zitieren, dass offensichtliche Tippfehler kommentarlos korrigiert werden dürfen („Obvious typographic errors may be corrected silently (without comment or sic) unless the passage quoted is from an older work or a manuscript source where idiosyncrasies of spelling are generally preserved“, Quelle). Die Amerikaner sehen das offenbar etwas lockerer.

(4) Sie können den Fehler außerdem einfach ignorieren, also unkommentiert stehen lassen. Das sollten Sie jedoch nur tun, falls es durch den Fehler nicht zu einem Missverständnis kommen kann oder der Text schwer lesbar wird; in diesen Fällen sollten Sie sic verwenden (Quelle).

Die meisten Zitierrichtlinien sind jedoch recht eindeutig: Ein Fehler im Zitat muss stehen bleiben und mit den Hinweis sic versehen werden.

Manchmal wird nach sic auch ein Ausrufezeichen eingefügt: sic! Und manchmal wird auch nur ein Ausrufezeichen in eckige Klammern gesetzt: [!] Ein solcher Hinweis bezieht sich meist nicht auf einen Tippfehler, sondern verweist auf eine bestimmte Sichtweise im zitierten Text, von der man sich inhaltlich distanzieren möchte. Jedoch schwingt in einem Ausrufezeichen meines Erachtens immer leichte Empörung mit: Unglaublich, was hier steht! Von einem solchen Vermerk bzw. Ausrufezeichen rate ich daher ab.

Wie gehe ich im Rahmen des Korrekturlesens mit Fehlern in wörtlichen Zitaten um?

Meist liegt mir das Original nicht vor. Daher kann ich nicht entscheiden, ob ein Fehler auch im Original steht und daher stehen bleiben muss. Buchstabendreher stehen vermutlich nicht im Original, sondern sind bei der Abschrift entstanden. Diese ändere ich üblicherweise, markiere aber das so geänderte Wort farbig, damit Sie dies noch einmal prüfen können. Ansonsten merke ich Fehler in wörtlichen Zitaten kommentarlos an: [?] Es liegt dann in Ihrem Ermessen, ob Sie noch einmal im Original nachschlagen möchten – und bei einem wirklichen Fehler [sic] dahinter vermerken.

Gern unterstütze ich Sie bei der Fertigstellung Ihrer Dissertation, Bachelor- oder Masterarbeit durch eine sorgfältige Korrektur Ihres Textes.

© Dr. Anette Nagel. Artikel erschienen im September 2017, zuletzt geändert im Juni 2024.

Das Für und Wider von sic – was tun bei Fehlern in Zitaten?