gendergerechtes Schreiben

An den/die Leser*in? Die geschlechtsneutrale Schreibweise

Schüler und Schülerinnen, SchülerInnen, Schüler/‑innen oder SuS? Welche Form des Genderns, also des geschlechtsneutralen Schreibens ist sinnvoll oder empfehlenswert? Hier gebe ich einen Überblick – und berichte aus meiner Lektoratspraxis, wie ich mit diesem Thema umgehe und was ich meinen Kundinnen und Kunden rate.

So aktuell das Thema Gendern derzeit ist, so anspruchsvoll ist die Umsetzung im Rahmen des Schreibens einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten – und alle haben ihre Vor- und Nachteile. Keine davon hat sich bislang durchgesetzt. Zudem wird dieses Thema in Kultur, Politik und Gesellschaft oft kontrovers diskutiert. Daher mag die Frage berechtigt sein: Muss ich mir das wirklich antun, wenn ich gerade eine Bachelor- oder Masterthesis oder Dissertation schreibe?

Bei näherer Betrachtung scheint es guten Grund zur Zurückhaltung zu geben. Denn einen Zwang zum Gendern an deutschen Unis, wie man gelegentlich liest, gibt es offenbar nicht. Dies zeigt eine Umfrage der ZEIT vom Februar 2023. 98 Prozent der 132 Hochschulen (von 145, die befragt wurden) sagen: „Nein, bei uns gibt es keine Richtlinie für geschlechtergerechte Sprache in Prüfungen.“ Auch auf Landes- und Bundesebene existieren keine Gesetze zu einer Gender-Pflicht.

Wohl aber haben so gut wie alle Unis und Hochschulen Richtlinien oder Leitfäden zum Umgang mit gendergerechten Schreibweisen. Und in der Praxis findet sich – so meine Beobachtung – kaum eine Abschlussarbeit, in der nicht auf irgendeine Art und Weise gegendert oder zumindest zu diesem Thema Stellung genommen wird.

Das hat übrigens durchaus mit dem Fachbereich zu tun: Konsequent gegendert wird in Texten der Sprach- und Kulturwissenschaften, Gesellschafts- und Sozialwissenschaften sowie Lehramtsstudiengängen, tendenziell seltener in Texten aus der Informatik, Medizin oder den Ingenieur- oder Rechtswissenschaften.

Ein eindeutiges Richtig oder Falsch gibt es hier also nicht. Meines Erachtens sollten Sie selbst einschätzen, ob Sie in Ihrer Arbeit gendern – und es im Zweifelsfall tun.

Welche Instanz regelt die Schreibweisen?

Aber wer, wenn nicht die Uni, legt fest, welche Art des Genderns verwendet werden sollte? Weiter gefragt: Gibt es eine Instanz, die regelt, welche Schreibweisen im beruflichen oder studentischen Umfeld zu verwenden sind?

Spontan denken viele wohl an den Duden. Das ist aber nicht mehr der Fall. Nur von 1901 bis 2006 war der Duden die maßgebliche Instanz für die Rechtschreibung. Seit 2006 ist der Rat für deutsche Rechtschreibung (kurz: Rechtschreibrat) zuständig für die Festlegung der Regeln der deutschen Rechtschreibung, um so die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren. Das amtliche Regelwerk in der aktuellen Fassung von 2018 mit seinem Wörterverzeichnis ist online verfügbar.

Die Dudenredaktion setzt diese Regeln um, ordnet sie ein und veröffentlicht sie. Zugleich beobachtet sie die Entwicklung der deutschen Sprache und nimmt regelmäßig neue Wörter in das Wörterbuch auf. Dabei trifft sie teilweise Entscheidungen, die über die Empfehlungen des Rechtschreibrates hinausgehen: So wurde beispielsweise beschlossen, das generische Maskulinum in Frage zu stellen. Begriffe wie Nachbar oder Professor sind im Online-Duden von 2021 nun explizit männlichen Personen zugewiesen; für weibliche Personen wurden neue Einträge angelegt. Doch gibt es nicht nur Einträge für Nachbarin und Professorin, sondern auch für Gästin und Bösewichtin. Dies hat hitzige Diskussionen ausgelöst. Verbindlich ist die Verwendung dieser Begriffe aber nicht, weil der Duden eben keine Regeln vorgeben kann und darf. Daher können Sie sich wohl an den Empfehlungen des Duden orientieren, müssen diese aber nicht zwingend übernehmen.

Der Rechtschreibrat, die zentrale Instanz der Rechtschreibung, hat auch zur geschlechtergerechten Schreibung Stellung genommen. In seinen aktuellen Empfehlungen vom 26.03.2021 beschreibt er Folgendes:

(1) die Anforderungen, die geschlechtergerechte Texte erfüllen sollten (sie sollten zum Beispiel verständlich, lesbar und vorlesbar sein), und

(2) die Entwicklung der verschiedenen Möglichkeiten gendergerechten Schreibens in den Jahren 2018 bis 2020: So gibt es bei den verkürzten Formen einen Trend zur Verwendung des Gender-Sternchen (die Bürger*innen). Es kommt in knapp 30 Prozent aller untersuchten Texte vor – und liegt damit gleichauf mit der Doppelform (Bürger und Bürgerin).

(3) Außerdem gibt er Empfehlungen: So sollten Gender-Sternchen, Gender-Gap, Gender-Doppelpunkt oder andere verkürzte Formen nicht in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung aufgenommen werden. Die weitere Entwicklung solle aber beobachtet werden.

Eine Hilfestellung für die eigene Arbeit – in Form von konkreten Vorgaben oder zumindest Vorschlägen – lässt sich hier also nicht finden. Das kann auch positiv gesehen werden: Ein Richtig oder Falsch gibt es nicht. Vielmehr haben Sie die (Qual der) Wahl.

Wie alles begann

Aber von Anfang an: Worum geht es beim Gendern bzw. geschlechtsneutralen Formulieren? Es geht um die Frage, wie verdeutlicht werden kann, dass sich Personenbezeichnungen auf Personen jeden Geschlechts beziehen. Diese Frage stellte sich lange Zeit gar nicht: Bis in die Siebzigerjahre wurde ausschließlich von Studenten oder Professoren gesprochen. Weibliche Personen, also Studentinnen und Professorinnen, galten als stillschweigend mitgemeint, ebenso Personen, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen lassen. Geschlechter- oder gendergerechtes Schreiben war deshalb bis dahin kein Thema.

Studien haben jedoch gezeigt, dass das generische Maskulinum, also Begriffe wie Autor oder Nachbar, in den Köpfen der Leser und Leserinnen eine Dominanz des Männlichen hervorruft. Um dies zu verhindern, wurden verschiedene Möglichkeiten entwickelt: die vollständige Paarnennung (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter), verschiedene Gender-Zeichen (Mitarbeiter*innen, Mitarbeiter_innen, Mitarbeiter:innen), die Neutralisierung (die Mitarbeitenden) oder kreative Umschreibungen (alle, die mitarbeiten).

Alle Möglichkeiten haben ihre Vor- und Nachteile. Und keine davon hat sich bislang durchgesetzt. Das gendersensible Schreiben und Sprechen ist jedoch in der Politik, Gesellschaft und Wirtschaft mittlerweile zum Standard geworden. Teilweise wird das generische Maskulinum (die Mitarbeiter) schon zum Auslaufmodell erklärt.

Zum Umgang mit dem Gendern heute

Wie gendere ich denn nun in meiner Bachelor- oder Masterarbeit richtig? Das werde ich manchmal gefragt. Meine erste, spontane Antwort: Informieren Sie sich, ob es an Ihrer Hochschule oder Uni Vorgaben oder Empfehlungen zum gendergerechten Schreiben gibt. Daran sollten Sie sich orientieren.

Ansonsten fragen Sie aktiv nach, zum Beispiel bei einer Dozentin oder dem Fachbereichsleiter: Gibt es am Institut verbindliche Regeln oder auch Standards, die sich bewährt haben? Oder wird eine bestimmte Form empfohlen? Vielleicht hat auch ein Kommilitone oder eine Absolventin eine Idee?

Wenn Sie all dies nicht weiterbringt, können (oder müssen) Sie selbst aktiv werden. Im Folgenden stelle ich Ihnen die gängigsten Formen vor, so wie sie in wissenschaftlichen Kontext angewandt wurden und werden. Im Anschluss daran schlage ich Ihnen eine Möglichkeit vor, mit der Sie nichts falsch machen können.

Möglichkeiten des geschlechtergerechten Schreibens

(1) Vollständige Paarform: die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

Das ist die wohl deutlichste Form, weibliche Personen zu bezeichnen. Sie wird besonders in der Anrede oft gewählt (liebe Zuhörerinnen und Zuhörer). Diese Form ist in der Praxis weit verbreitet und akzeptiert. Auch die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) empfiehlt diese Schreibweise uneingeschränkt. (Die GfdS ist ein politisch unabhängiger Verein zur Pflege der deutschen Sprache und berät zum Beispiel den Bundestag.)

Bei dieser Schreibweise wird der Text jedoch oft recht lang. Umständlich wird es auch bei Sätzen wie: der oder die Vorsitzende und sein oder ihr Vertreter oder Vertreterin. Irritierend ist meines Erachtens auch, dass diese Form in der Praxis nicht konsequent angewandt wird: So liest man zwar von Bürgerinnen und Bürgern, nicht aber von Steuerhinterzieherinnen und Steuerhinterziehern.

Fazit: Diese Variante ist allgemein akzeptiert und daher auch heute noch weit verbreitet. Sie können sie daher durchaus für Ihre Bachelor- oder Masterarbeit wählen.

(2) Kurzformen

(2a) mit Schrägstrich: die Mitarbeiter/-innen oder die Mitarbeiter/innen

Neben die vollständige Paarform trat bald eine Kurzform mit Schrägstrich. Diese Form kommt in zwei Varianten vor: einer mit Bindestrich nach dem Schrägstrich: Der Bindestrich fungiert als Auslassungszeichen, steht hier also für Mitarbeiter, bevor sich daran innen anschließt. Häufiger in der Praxis ist die Schreibweise ohne Bindestrich. Diese entspricht laut Gesellschaft für deutsche Sprache jedoch nicht den amtlichen Rechtschreibregeln. Ansonsten empfehlen die GfdS und der Duden durchaus die Schrägstrichschreibung (mit Bindestrich), um möglichst sprachökonomisch zu schreiben. Wichtig ist, dass bei „Weglassen des Schrägstrichs ein grammatisch korrektes und lesbares Wort entsteht“. Dies ist bei Bewerber/-innen der Fall – nicht aber bei Ärzte/‑innen. Probleme beim Lesen und Aussprechen ergeben sich auch, wenn ein Artikel hinzugefügt wird (ein/-e Mitarbeiter/-in, der/die Mitarbeiter/-in).

Negativ gewertet wird heute verschiedentlich auch, dass die Schrägstrichform nicht für eine angemessene Repräsentation aller Geschlechter geeignet ist, da der Schrägstrich keine Option „divers“ anbietet.

Diese Schrägstrichform ist heute eher selten zu finden. Für eine wissenschaftliche Arbeit kann ich sie aus den oben genannten Gründen nicht empfehlen.

Dies gilt analog für die Klammerform: die Mitarbeiter(innen). Auf diese Form gehe ich nicht weiter ein.

(2b) Großes Binnen-I: die MitarbeiterInnen

Diese Form war in den 1980er Jahren, also zu Beginn des gendergerechten Schreibens, relativ weit verbreitet.

GfdS und Duden lehnen diese Form ab, da der der große Binnenbuchstabe nicht den geltenden Rechtschreibregeln entspricht. Problematisch ist außerdem, dass diese Form nicht bei Verwendung von Versalien (AUTORINNEN) angewandt werden kann. Im Plural entstehen oft fehlerhafte Formen (den MitarbeiterInnen; hier ist die männliche Form Mitarbeitern nicht abgedeckt). Im Singular wiederum wird meist von der weiblichen Form ausgegangen: die MitarbeiterIn und ihre Bücher. Dies kann als tendenzielle Bevorzugung weiblicher Personen gesehen.

In wissenschaftlichen Texten taucht die Schreibweise mit dem großen Binnen-I heute kaum noch auf. Daher kann ich sie für eine Abschlussarbeit auch nicht empfehlen.

(2c) Gender-Gap (ab 2003): die Mitarbeiter_innen

(2d) Gender-Sternchen (ab 2009): die Mitarbeiter*innen

(2e) Gender-Doppelpunkt (ab 2015): die Mitarbeiter:innen

Die Gender-Zeichen sind relativ neue Entwicklungen, die im Zuge der Diskussion um Diversität und um Sichtbarmachung der aller Geschlechter entwickelt worden sind: Unterstrich (Gap), Sternchen und Doppelpunkt sollen stellvertretend für die Vielfalt der Geschlechter stehen – die bei der Schrägstrichvariante oder auch der vollständigen Paarform nicht zum Ausdruck kommen kann.

Von der Gesellschaft für deutsche Sprache werden Gender-Gap und Gender-Sternchen nicht empfohlen, da sie nicht Bestandteil der deutschen Rechtschreibung sind. Auch weist die GfdS auf Probleme hin, die auch bei anderen Kurzformen auftreten können, wenn Formulierungen wie ein*e gute*r Mitarbeiter*in oder die Mitarbeiter*in in ihrer Firma grammatisch wie das generische Femininum behandelt werden.

In der universitären Praxis kommen diese Gender-Zeichen jedoch mittlerweile sehr häufig vor. Daher halte ich sie für eine durchaus sinnvolle Möglichkeit. Ich gehe davon aus, dass sie sich weiter durchsetzen werden.

(3) Neutralisierung

(3a) Partizipform: die Mitarbeitenden

Begriffe wie Studierende, Unterrichtende oder Teilnehmende beziehen sich auf Personen jeden Geschlechts. Sie haben sich heute weithin durchgesetzt.

Als Einwand gegen diese Form wird gelegentlich vorgebracht, dass ein Partizip nur Personen beschreibt, die jetzt im Moment etwas tun, zum Beispiel studieren, lehren oder teilnehmen. So kann eine Studentin durchaus nebenbei Klavierunterricht geben. Sie kann aber streng genommen nicht gleichzeitig studieren und Klavier unterrichten, was aber in der Bezeichnung ihrer Person als Studierende und Unterrichtende zum Ausdruck kommt.

Vorsicht auch beim Singular: Manchmal lese ich von den Studierenden (Plural) – aber auch von einem Studierenden, also einer männlichen Person (so gut wie nie von einer Studierenden). Die Partizipformen sind nur im Plural geschlechtsneutral.

(3b) Neutrale Begriffe: Führungskraft, Person, Mitglied

Diese Form des Genderns ist allgemein akzeptiert, da keine neuen Begriffe oder Schreibweisen entstehen. Jedoch lassen sich nicht alle Personenbezeichnungen damit erfassen.

(3c) Umformulierung: alle, die mitarbeiten

Auch die Umformulierung ist weithin anerkannt, benötigt jedoch einiges an Kreativität. Als Ergänzung zu weiteren Genderschreibweisen ist diese Methode – genau wie die vorher genannte Verwendung neutraler Begriffe – gut geeignet.

(4) Weitere Möglichkeiten

(4a) Männliche Schreibweise mit Inklusionsverweis

In vielen Texten, die ich im Rahmen des Wissenschaftslektorats durchsehe, speziell aus den Betriebswirtschaften, findet sich eine Fußnote wie: „In der folgenden Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Sie bezieht sich auf Personen beiderlei [oder: jeden] Geschlechts.“

Mit einer solchen Fußnote sind Sie theoretisch aus dem Schneider. Einmal die Fußnote eingefügt, können Sie bequem von Mitarbeitern, Kunden oder Autoren schreiben. Das spart Platz, Zeit und wohl auch Nerven.

In der universitären Praxis wird diese Methode jedoch zunehmend kritisiert, weil durch die Nennung nur eines Geschlechts nicht sichergestellt werden könne, dass beim Lesen das andere immer mitgedacht werde. Das kann ich durchaus bestätigen. So las ich in einem Ratgeber, dass ein Autor einer wissenschaftlichen Arbeit im Vorwort durchaus seiner Ehefrau danken darf. Natürlich darf er das – aber genauso eine Autorin (die ja theoretisch bei Autor mitgemeint sein müsste) ihrem Ehemann! Die gedankliche Dominanz des Männlichen lässt sich hier nicht ausschließen. In zahlreichen Leitfäden zum gendergerechten Schreiben wird daher diese Form als unzulässig beschrieben. Aus dem Grund kann ich diese Form des Genderns auch nicht mehr vorbehaltlos empfehlen (es sei denn, Sie studieren beispielsweise BWL und der Leitfaden Ihrer Uni sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor).

(4b) Generalisierendes Femininum

Sehr selten wird auch die weibliche Form generalisierend verwendet. Der Begriff Mitarbeiterinnen umfasst demnach auch männliche Personen. Das ist beim ersten Lesen irritierend; erst nach einer Weile wird die dahinterliegende Intention deutlich.

Problematisch fand ich dieses Vorgehen bei einer zu lektorierenden Dissertation, in der es um Richterinnen und Beamtinnen im alten Griechenland ging – und ich mich fragte, ob es damals wirklich Frauen unter diesen Personengruppen gegeben hatte. Die Möglichkeit, explizit und ausschließlich Frauen zu bezeichnen, sollte erhalten bleiben. Das ist sie meines Erachtens nicht, wenn …innen für beide Geschlechter gelten soll.

(4c) Wechselnd männliche und weibliche Formen

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, wechselnd männliche und weibliche Formen zu verwenden: So schreiben Sie mal von Mitarbeiterinnen, mal von Mitarbeitern, mal von Kunden, mal von Kundinnen usw., wobei alle Personen gemeint sind.

Der Vorteil: Die Absicht, mit einem Begriff sowohl männliche als auch weibliche Personen explizit zu bezeichnen, wird beim Lesen schnell deutlich. Dann liest sich der Text sehr angenehm: kurz und knapp sowie ohne irgendwelche Sonderzeichen wie Unterstriche oder Sternchen, die den Lesefluss aufhalten oder das ungeübte Auge irritieren könnten.

Diese unkonventionelle und daher etwas gewöhnungsbedürftige Form des Genderns ist nur wenig verbreitet. Denn es lässt sich kaum deutlich machen, wenn im konkreten Kontext einmal wirklich eine weibliche oder männliche Person gemeint ist. Außerdem können trotz der willkürlichen Verwendung weiblicher und männlicher Personenbezeichnungen irritierende Formulierungen entstehen. Das fiel mir beim Korrekturlesen einer Masterarbeit auf, in der es hieß, dass das Unternehmen zur Reduzierung der Unfallquote im Fuhrpark plane, die Fahrerinnen extra zu schulen. Dass hier ebenso Männer eine Schulung erhalten sollen, erschließt sich vermutlich erst auf den zweiten Blick.

Von einer Verwendung in einer wissenschaftlichen Arbeit rate ich ab.

Meine Empfehlungen zum Gendern

Angenommen, es gibt an Ihrer Uni, Hochschule oder an Ihrem Fachbereich keine Richtlinien, an die Sie sich halten müssen. Oder aber Sie haben den Hinweis bekommen: „Suchen Sie sich selbst eine Form des Genderns aus.“

Aber welche? Es gibt wie gesagt keine Form des gendergerechten Schreibens, die nur Vorteile aufweist und daher uneingeschränkt zu empfehlen ist: Bei der vollständigen Paarform wird der Text oft lang und umständlich zu lesen; die inhaltliche Aussage könnte dahinter zurücktreten. Kurzformen zeigen ihre Tücken in der Verwendung im Singular oder bei Verwendung eines Artikels oder Adjektivs. Neutrale Formen lassen sich nur begrenzt verwenden. Und die weiteren Möglichkeiten zwingen oft zu großer Kreativität, die eigentlich in die inhaltliche Bearbeitung des Themas gesteckt werden sollte.

Im Folgenden beschreibe ich eine Möglichkeit, wie Sie in Ihrem Text gendern können. Die Ausführungen basieren auf der Art und Weise, wie aktuell (2023) in vielen Sach- und Fachbüchern gegendert wird. Für Verlage gilt in der Regel: Die Autoren und Autorinnen entscheiden. Dennoch sehe ich eine gewisse einheitliche Linie, die sich durch viele Publikationen zieht. Diese ergänze ich im Folgenden um meine eigenen, subjektiven Empfehlungen. Vielleicht können Sie daraus Anregungen für Ihre eigene wissenschaftliche Abschlussarbeit oder Publikation schöpfen.

Sie könnten also wie folgt vorgehen:

  • Bei Erstnennung von Personenbezeichnungen nennen Sie die vollständige Paarform (Patienten und Patientinnen).
  • Im Anschluss daran verwenden Sie eine Kurzform mit Genderzeichen. Viele Verlage empfehlen aktuell das Gender-Sternchen (Patient*innen). Ich rate hingegen zum Gender-Doppelpunkt (Patient:innen): Dieses Zeichen „gilt als leser:innenfreundlicher als Sternchen oder Unterstrich“. Wenn Sie sich in Ihrer Bachelor- oder Masterarbeit für den Gender-Doppelpunkt entschieden haben, sollten Sie parallel nicht noch den Gender-Gap oder das Gender-Sternchen verwenden, sondern beim Doppelpunkt bleiben.
  • Wenn Sie Beispiele im Singular verwenden, verwenden Sie entweder die männliche oder die weibliche Form. So kann zum Beispiel von einer Mitarbeiterin die Rede sein – aber genauso gut auch von einem Mitarbeiter, der eine Kundin (oder einen Kunden) berät. So wird deutlich, dass Sie sowohl männliche als auch weibliche Personen im Blick haben.
  • Wenn es gängige neutrale Begriffe gibt, sollten Sie diese verwenden. Dies gilt zum Beispiel für Studierende oder Teilnehmende, aber auch für das Kollegium (statt Kolleginnen und Kollegen) oder die Lehrkraft (statt Lehrerinnen und Lehrer).
  • In zusammengesetzten Begriffen empfehle ich, nicht zu gendern. Es bleibt also bei einem Arztbesuch (eher nicht: Ärzt:innenbesuch). Auch Begriffe wie Patientenverfügung, Experteninterview oder Kundenservice sind meines Erachtens etabliert und akzeptiert und sollten daher so stehen bleiben.
  • Auch Bezeichnungen einer eher abstrakten Personengruppe würde ich so lassen, wie sie sind, zum Beispiel die Träger einer Maßnahme oder die Akteure der Globalisierung. Wenn aber konkrete Personen genannt bzw. direkt angesprochen werden, sollte gegendert werden, und zwar möglichst mit Nennung beider Formen (Sie als Patient oder Patientin sollten …).
  • Gelegentlich können Sie meines Erachtens ruhig auch die männliche Form verwenden (Patienten), möglichst aber nicht an exponierten Stellen wie Überschriften oder bei erstmaliger Nennung in einem Kapitel.

Vielleicht kommt Ihnen diese Empfehlung zur abwechselnden Verwendung von Genderformen etwas merkwürdig vor. Ist nicht die Einheitlichkeit der Schreibweisen in einer wissenschaftlichen Arbeit das oberste Ziel? Wie lässt sich das mit dieser bunten Mischung vereinbaren? So kann ja in ein und demselben Text von den Patientinnen und Patienten, den Patient:innen und dann von der Patientin die Rede sein. Ist das nicht inkonsequent?

Das kann man durchaus so sehen. Wenn Sie jedoch nur eine einzige Form des Genderns verwenden (zum Beispiel die vollständige Paarnennung), werden Sie immer wieder an einen Punkt geraten, an dem eine andere Form einfach besser geeignet wäre. Warum sollten Sie noch Studentinnen und Studenten schreiben, wo doch die Studierenden mittlerweile etabliert sind? Und warum den/die Patient/in erwähnen, der/die seine/ihre Ärzt/in aufsucht, wo doch auch ein Patient seine Ärztin oder eine Patientin ihren Arzt befragen kann? Auch so wird deutlich, dass beide Geschlechter gemeint sind – und darum geht es doch.

Die Mischung verschiedener Möglichkeiten des Genderns in einem Text zeugt außerdem von einem unverkrampften Umgang mit dem Thema. Das empfinde ich angesichts der oft vehement und kontrovers geführten Debatte als sehr wohltuend: Sie gendern, aber zwanglos.

Wie gehe ich in diesem Ratgeber vor?

Als Letztes noch ein Blick darauf, welche Variante des Genderns ich für diesen Ratgeber gewählt habe. Dabei orientiere ich mich an dem oben vorgeschlagenen Vorgehen.

(1) An zentralen Stellen des Textes (zum Beispiel am Beginn eines Kapitels) nenne ich beide Geschlechter: Dieser Text richtet sich an die Autorinnen und Autoren einer wissenschaftlichen Arbeit. Auch wenn ich Sie direkt anspreche, mache ich dies üblicherweise mit beiden Bezeichnungen: Sie, die Leser und Leserinnen dieses Ratgebers. Diese lange Form zu verwenden verstehe ich auch als Form der Höflichkeit und des Respekts.

(2) Danach erlaube ich mir, das generische Maskulinum zu verwenden, also von Autoren und Verfassern zu sprechen. Dabei sind jedoch Personen beiderlei Geschlechts gemeint. Dieses Verfahren zieht sich durch den gesamten Text. Daher gehe ich davon aus, dass beim Lesen nach und nach ein Lern- oder Wiedererkennungseffekt auftritt und die Intention – weibliche und diverse Personen gleichberechtigt einzubeziehen – auch ohne erläuternde Anmerkung deutlich wird.

(3) Bei konkreten Beispielen, in denen es um eine Person geht, verwende ich tendenziell häufiger die weibliche Form. Ich erwähne also häufiger eine Kundin, die mir ihre Dissertation zum Lektorat überließ, oder empfehle, dass Sie Ihre Betreuerin noch einmal um Rat fragen sollten. Dies dient in gewisser Weise als Ausgleich zum generischen Maskulinum.

(4) Sofern verfügbar, verwende ich neutrale Begriffe, die sich etabliert haben. Dazu gehören zum Beispiel die Lehrkräfte (statt Lehrern und Lehrerinnen), die Pflegekräfte (statt Krankenschwestern und Pflegern) oder die Studierenden (statt Studenten und Studentinnen). Gute Lesbarkeit ist für mich aber wichtiger als Kreativität der Begriffsbildung.

(5) Zusammengesetzte Begriffe bleiben, wie sie sind: Es gibt ein Experteninterview und ein Kundengespräch. Denn diese Begriffe sind etabliert, und nur mit viel Fantasie würde jemand meiner Meinung nach davon ausgehen, dass hier weibliche Personen nicht mitgemeint seien.

Insgesamt kommt dieser Ratgeber daher ohne erläuternde Fußnote, ohne großes Binnen-I, ohne Schrägstriche, Sternchen und dergleichen bei Personenbezeichnungen aus. Dennoch wird – hoffentlich – die Intention deutlich: Selbstverständlich sind Personen jeden Geschlechts gemeint.

Gern sehe ich Ihre Arbeit im Rahmen eines Korrekturlesens oder Lektorats durch. Dabei gebe ich Ihnen Tipps zum Umgang mit dem Gendern oder prüfe die von Ihnen gewählte Möglichkeit auf Konsistenz und Plausibilität.

© Dr. Anette Nagel. Artikel erschienen im September 2017, zuletzt bearbeitet im Mai 2023.

An den/die Leser*in? Die geschlechtsneutrale Schreibweise