Konjunktiv

Konjunktiv und indirekte Rede (2): Wie kann ich den Konjunktiv umgehen?

In einer wissenschaftlichen Arbeit auf den Konjunktiv verzichten? Nicht im Ernst! Die richtige Verwendung des Konjunktivs ist doch die Königsdisziplin des wissenschaftlichen Schreibens. Wie soll man ohne Konjunktiv verdeutlichen, wo die eigene Meinung aufhört und die einer anderen Person anfängt?

Es gibt tatsächlich Möglichkeiten, dies auch ohne Konjunktiv zu tun. Ein paar davon möchte ich gleich vorstellen. Zunächst aber zur (berechtigten) Frage: Warum das Ganze?

In meiner täglichen Arbeit im Lektorat merke ich oft: Der Wille, den Konjunktiv in einem Text richtig anzuwenden, ist vorhanden. Die Umsetzung aber ist schwierig. Das Ergebnis sind oft sprachlich ungewöhnliche Formen (die Deutung gewönne an Plausibilität), Formulierungen, die schwammig sind (Müller beschreibe in ihrem Text …) oder eine irritierende Mischung von Konjunktiv I und II, die inhaltlich nicht legitimierbar ist. So entstand bei mir der Gedanke, ob es nicht möglich sein könnte, beim Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit den Konjunktiv auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

Auch in einigen Ratgebern zum wissenschaftlichen Schreiben wird empfohlen, nach Möglichkeit den Indikativ zu verwenden. So steht beispielsweise im Leitfaden der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg:

Bei rechtswissenschaftlichen Dissertationen fällt immer wieder auf, dass viel zu viel statt des Indikativs
der Konjunktiv verwendet wird. […]
Selbst wenn es nach strengen Sprachregeln ‚an sich‘ geboten sein mag, im Konjunktiv zu formulieren, sollte aus stilistischen Gründen dennoch, soweit möglich, der Indikativ verwendet werden.“ (M. Kort: Form und Sprache einer Dissertation, 17.01.2022)

Einige Kunden haben mir außerdem berichtet, dass ihr Betreuer ihnen angeraten habe, den Konjunktiv eher selten zu verwenden. Daher nun konkret einige Vorschläge zum Umschreiben.

1. Nur Indikativ bei Sätzen mit laut … zufolge … gemäß

Bei Sätzen mit dass können Sie, wie im ersten Beitrag zum Konjunktiv gezeigt, meist auf den Konjunktiv verzichten (sie sagt, dass sie damit gute Erfahrungen gemacht hat). Das ist auch der Fall bei Sätzen, die nur aus einem Hauptsatz bestehen. Wenn Sie darauf verweisen möchten, dass Müller hier verschiedene Methoden erkennt, schreiben Sie zum Beispiel: Laut Müller gibt es hier verschiedene Methoden.

„Daher gelten diese Konstruktionen als Konkurrenzformen der indirekten Rede, werden allerdings in der Regel im Indikativ formuliert: Laut Radio Eriwan genossen die Sowjetbürger das Leben in vollen Zügen – besonders auf der Strecke von Moskau nach Leningrad.“ (Duden-Sprachratgeber)

Ein Satzbeginn mit Laut Müller oder Müller zufolge ist übrigens aus einem weiteren Grund wichtig für das wissenschaftliche Arbeiten: Denn Sie können damit nicht nur auf den umständlichen Konjunktiv verzichten (und trotzdem eindeutig kennzeichnen, dass dies nicht Ihre Ansicht ist, sondern die einer anderen Person), sondern Sie erfüllen auch eine wichtige Anforderung an das wissenschaftliche Schreiben: Die Hauptsache eines Satzes sollte im Hauptsatz stehen, nicht im Nebensatz. Letzteres wäre nämlich der Fall, wenn Sie schreiben: Müller führt aus, dass es hier verschiedene Methoden gibt. Hauptsätze wie Müller sagt … oder Meier verdeutlicht … sind inhaltlich relativ belanglos und das inhaltliche Wichtige steht dann leider im Nebensatz, was ungünstig ist. (Mehr dazu lesen Sie hier).

Im Rahmen des Lektorats schlage ich daher regelmäßig vor, Sätze wie: Müller führt aus, dass es verschiedene Methoden gibt. entsprechend zu ändern. Sie können zum Beispiel schreiben: Müller zufolge gibt es … oder Gemäß Müller gibt es verschiedene Methoden.

2. Einleitender Satz

Wenn Sie über längere Strecken die Ansicht eines Autors wiedergegeben, können Sie durch einen einleitenden Satz verdeutlichen, dass im Folgenden die Meinung von Meier wiedergegeben wird: Meier sieht dies folgendermaßen: Das und das ist so. Außerdem ist das so. Und auch das ist so.

Um noch deutlicher zu machen, dass immer noch Meiers Ansicht vorgetragen wird, können Sie gelegentlich Wendungen einstreuen wie: … so Meier weiter

Auch folgende einleitende Sätze sind möglich: Schulze beschreibt dies wie folgt: … – Im Folgenden gebe ich Müllers Ansicht wieder: … – Dreyer sieht hier Folgendes gegeben: … usw.

3. Quellenangabe in Klammern setzen

Dies ist eine relativ simple Möglichkeit, den Konjunktiv zu umgehen, aber dennoch zu verdeutlichen, dass Sie nicht Ihre eigene Ansicht wiedergeben: Sie verzichten im Haupttext auf die Nennung des Autors, sondern fügen nur in Klammern oder in einer Fußnote den Verweis auf den Autor bzw. die jeweilige Quelle an: Dies und das ist so (vgl. Meier).

Hier sollten Sie allerdings darauf achten, dass für den Leser immer deutlich wird, was nun Meiers Ansicht ist und was nicht. Denn üblicherweise wird nicht jeder Satz mit einer Quellenangabe enden. Sinnvoll sind hier ergänzende Begriffe und Formulierungen: So können Sie bei einem Sprecherwechsel zum Beispiel schreiben: Etwas anderes gilt, wenn … Oder Sie beginnen bei jedem neuen Autor mit einem neuen Absatz und setzen den Quellenverweis ans Ende eines Absatzes.

Diese Möglichkeit ist auch deshalb oft gut geeignet, weil hier wirklich die inhaltlichen Ausführungen im Vordergrund stehen und nicht die Ansichten der jeweiligen Autoren. Einige wissenschaftliche Arbeiten, die ich lektoriere, bestehen nämlich über weite Strecken aus einer Aneinanderreihung von Ansichten verschiedener Autoren. Stark vereinfacht und überspitzt klingt das dann so:

Müller führt aus, dass A der Fall ist. Meier hingegen sagt, dass gelegentlich B der Fall ist. Schulze wendet ein, dass neuerdings C der Fall ist.

Das, was inhaltlich wichtig ist, also was die einzelnen Autoren gesagt haben, ist in den Nebensätzen versteckt und bleibt damit fast auf der Strecke. Auch ist es so schwierig, sich inhaltlich mit den genannten Aspekten auseinanderzusetzen und sich ein Bild davon zu machen, weil hier die Autoren im Vordergrund stehen und nicht die inhaltlichen Aussagen.

Inhaltlich aussagekräftiger ist hingegen eine solche Beschreibung:

Hier ist A der Fall (vgl. Müller). Gelegentlich ist auch B der Fall (vgl. Meier). Neuerdings ist öfters C der Fall (vgl. Schulze).

Auch hier wird deutlich, dass dies nicht Ihre Meinung ist, sondern die der genannten Autoren. Diese Form der Darstellung wirkt jedoch klarer und inhaltlich fokussierter.

Das heißt jedoch nicht, dass Sie nun nur noch in der Form „A ist der Fall“ schreiben sollten. Vielmehr sollten Sie immer den Kontext berücksichtigen: Je allgemeiner eine Aussage ist, desto eher kann die Quelle in den Hintergrund treten; es reicht, wenn der Quellenverweis in Klammern oder in einer Fußnote steht. Also nicht: Schulze führt aus, dass ADHS bei Kindern heute häufiger vorkommt als früher, sondern: Die Fallzahlen von ADHS bei Kindern sind in den letzten Jahren stetig gestiegen (vgl. Schulze).

Wenn eine Aussage jedoch sehr spezifisch ist und in der Forschung noch nicht belegt wurde, sollte dies durchaus schon so im Hauptsatz ausgedrückt werden. Also eher nicht: Bei ADHS ist der Dopaminhaushalt gestört (vgl. Schulze), sondern: Laut Schulze ist bei ADHS der Dopaminhaushalt gestört. oder: Neuere Forschungen weisen darauf hin, dass bei ADHS der Dopaminhaushalt gestört ist (vgl. Schulze).

Tipps aus dem Lektorat

Im Rahmen des Lektorats einer Bachelor-, Masterarbeit oder Dissertation achte ich darauf, ob die Formen von Konjunktiv I und II richtig gebildet sind. Auch prüfe ich, ob dies sprachlich und inhaltlich schlüssig ist. Einen Satz wie: Laut Müller sei das so. ändere ich dann zu: Laut Müller ist das so.

Schwierig wird es für mich, wenn nicht deutlich wird, wessen Meinung vorgetragen wird. Wie ist dies zum Beispiel in folgenden Sätzen aus wissenschaftlichen Arbeiten? (vereinfachte Beispiele)

  • In einer Masterarbeit steht: Erst wird dies geprüft, dann das. Wenn beides zutrifft, sei davon auszugehen, dass … Da an dieser Stelle weit und breit weder ein Autor noch eine Quelle genannt wird, gehe ich hier davon aus, dass dies die Meinung der Verfasserin der Arbeit ist. von etwas ausgehen bedeutet aber bereits, dass dies nur angenommen wird, also nicht bewiesen ist. Das braucht nicht zusätzlich in den Konjunktiv gesetzt zu werden. An dieser Stelle habe ich der Verfasserin vorgeschlagen, den Satz zu ändern in: … ist davon auszugehen, dass
  • In einer Hausarbeit lese ich: Es werde davon ausgegangen, dass dies so sei. Auch hier stellt sich die Frage: Wer geht davon aus? Wenn die Verfasserin davon ausgeht, könnte es heißen: Im Folgenden gehe ich davon aus, dass dies so ist. oder: Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass dies so ist.
  • In einer Bachelorarbeit heißt es: Hartmann führt aus, „dies sei schwierig“. Für mich ist das auch schwierig, nämlich zu erkennen, wie der Satz gemeint ist. Denn in einem wörtlichen Zitat gilt immer der Wortlaut des Originals; also gehe ich davon aus, dass in dieser Quelle tatsächlich Konjunktiv I steht (sei). Wessen Meinung gibt Hartmann aber hier wieder? Ich vermute eher, dass die Verfasserin der Bachelorarbeit ausdrücken möchte, dass Hartmann der Ansicht ist, dass dies schwierig sei. Es kann daher nur heißen: Hartmann führt aus, dass dies schwierig sei. oder: Hartmann führt aus: „Dies ist schwierig.“ (Ob dies so im Original steht, weiß ich nicht, weil mir das Original in der Regel nicht vorliegt.)
  • In einer Dissertation lese ich: Laut Müller „setze die emotionale Entwicklung des Kindes sehr früh ein“. Hier stellt sich das gleiche Problem wie gerade beschrieben. Eigentlich kann es nur heißen: Laut Müller setzt „die emotionale Entwicklung des Kindes sehr früh ein“ (wobei hier die Aussage von Müller besser als indirektes Zitat denn als direktes Zitat wiedergegeben werden sollte, wie ich hier ausgeführt habe). An solchen Stellen füge ich üblicherweise einen Kommentar ein, weise darin auf die Unstimmigkeit hin und mache einen Vorschlag für eine Umformulierung.

Formulierungsbeispiele mit und ohne Konjunktiv

Forschungsergebnisse aus der Literatur können Sie wie folgt wiedergeben – mit oder ohne Konjunktiv (wobei in der Praxis meist eine Mischform vorliegen wird):

Mit Konjunktiv:

Huber führt aus, die Kinder seien bei Anwesenheit eines Hundes im Unterricht entspannt und konzentriert gewesen. In den Pausen hätten die Hunde die Kinder aktiv zur Bewegung aufgefordert. Besonders der Pudel Paula habe sich hier hervorgetan, was von den Kindern freudig aufgenommen worden sei. Dreyer hingegen berichtet, seine Studie habe zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt: So sei deutlich geworden, dass nicht alle Kinder von der Anwesenheit eines Hundes im Unterricht profitieren konnten. Der Einsatz von Schulbegleithunden müsse daher individuell auf die Zusammensetzung der Klasse abgestimmt werden.

Ohne Konjunktiv:

Huber fasst die Ergebnisse seiner Studie wie folgt zusammen: Bei Anwesenheit eines Hundes im Unterricht waren viele Kinder entspannt und konzentriert. In den Pausen forderten die Hunde die Kinder aktiv zur Bewegung auf. Besonders der Pudel Paula tat sich hier hervor, was von den Kindern freudig aufgenommen wurde. Dreyer hingegen berichtet, dass seine Studie zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt hat: So konnten nicht alle Kinder von der Anwesenheit eines Hundes im Unterricht profitieren; daher muss der Einsatz von Schulbegleithunden individuell auf die Zusammensetzung der Klasse abgestimmt werden.

© Dr. Anette Nagel. Artikel erschienen im Februar 2018, zuletzt bearbeitet im Mai 2023.

Konjunktiv und indirekte Rede (2): Wie kann ich den Konjunktiv umgehen?