Aufbau der Arbeit

Kapitelübergänge – Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit

„Ich muss noch die Übergänge zwischen den Kapiteln schreiben“, teilte mir die Studentin mit, als wir einen Termin für das Wissenschaftslektorat ihrer Bachelorarbeit besprachen. „In zwei Wochen kann ich Ihnen die Arbeit zum Lektorat schicken.“

Pünktlich zwei Wochen später erhielt ich ihre Arbeit – mit allen Übergängen. Diese lauteten meist so: „In diesem Kapitel wurde dies und das beschrieben. Im nächsten Kapitel geht es um dieses und jenes.“ Dabei lautete die Überschrift des aktuellen Kapitels: „Dies und das“ – und die des nächsten: „Dieses und jenes“.

Warum sind solche Übergänge wenig sinnvoll, ja, eigentlich sogar überflüssig? Weil sie nur das wiederholen, was sowieso im Text steht (nämlich die Überschriften) bzw. was dem Text zu entnehmen ist (dass auf das aktuelle Kapitel ein weiteres folgt). Damit bringen sie der Leserin aber keinen Mehrwert. Ein solcher wäre vorhanden, wenn die Kapitelübergänge die innere Logik verdeutlichen, mit der die Kapitel angeordnet sind. So hat sich die Reihenfolge der Kapitel (hoffentlich) nicht zufällig ergeben, sondern diese folgen einem roten Faden, der sich durch die gesamte Arbeit zieht.

Die Reihenfolge der Kapitel ergibt sich idealerweise von selbst, wenn Sie das Forschungsziel Ihrer Arbeit klar vor Augen haben. Dieses entspringt meist einem Anfangsverdacht: Sie haben den Eindruck, dass ein Thema in der Literatur zu einseitig dargestellt wird oder ein wichtiger Aspekt empirisch noch zu wenig unterfüttert ist. Ihr Ziel ist es, dies zu ändern – Sie möchten also einen bisher wenig berücksichtigten Aspekt untersuchen oder stärkere empirische Evidenz erbringen. Aus diesem Ziel ergeben sich sodann die Methoden, die Sie anwenden werden: In einer theoretischen Arbeit können Sie auf der Basis einer umfassenden Literaturschau Ihre eigene These entwickeln und belegen; in einer empirischen Arbeit werden Sie ein passendes Design für Ihre Untersuchung wählen oder entwerfen und dann die Studie durchführen. Im Anschluss daran werden Sie die Ergebnisse diskutieren und prüfen, ob Ihre Forschungsfrage beantwortet werden konnte. In einem Fazit fassen Sie die Ergebnisse zusammen und werfen einen Blick voraus: Welche neuen Fragen sind aufgetaucht und könnten in späteren Studien untersucht werden?

Jedes Kapitel hat so seinen genauen Platz in der Arbeit, baut auf dem vorigen auf und ist wiederum die Basis für das folgende. Wenn Sie dies in der Einleitung anschaulich beschreiben, wird der Ablauf für den Leser verständlich und nachvollziehbar – und Sie brauchen nicht bei jedem Kapitelübergang erneut darauf hinzuweisen.

Verzichten können Sie auf ausformulierte Übergänge meist bei Unterkapiteln; hier sollte die Abfolge selbsterklärend sein. Hingegen ist am Ende eines Hauptkapitels ein resümierender Absatz oder ein Zwischenfazit sinnvoll: Hier wird kurz das zentrale Ergebnis benannt und dargelegt, inwiefern es den Ausgangspunkt für die folgenden Ausführungen bildet.

Was habe ich nun der oben erwähnten Studentin empfohlen? In der separaten Dokumentation, die ich im Rahmen des Lektorates anlege, habe ich beschrieben, warum ich die Übergänge anders ausformulieren würde; dafür habe ich ihr konkrete Vorschläge gemacht. Ob sie diese umsetzt oder nicht, ist ihre eigene Entscheidung. Auf Basis meiner Ausführungen kann sie selbst eine reflektierte Entscheidung treffen – und das nicht nur für ihre Bachelorarbeit, sondern vielleicht auch später für ihre Masterarbeit.

© Dr. Anette Nagel. Artikel erschienen im April 2016, zuletzt bearbeitet im Mai 2023.

Kapitelübergänge – Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit